Dokumentation
geachtet – geächtet

Die Zeitgeschichte-Tage 2019 widmeten sich unter dem Titel „geachtet – geächtet“ dem Spannungsfeld zwischen Anerkennung und Ächtung in Kunst, Politik und Gesellschaft. Zu den Vortragenden zählten unter anderem Kurt Palm, Maik Novotny und Lorenz Seidler.
Unter dem Titel „geachtet – geächtet“ fanden die 28. Braunauer Zeitgeschichte-Tage von 27. bis 29. September 2019 im Kulturhaus GUGG statt. Bereits am Donnerstag eröffnete die Frankfurter Filmwissenschaftlerin Rosemarie Killius mit einer Einführung in den NS-Propagandafilm „Kolberg“. Die Diskussion zeigte, wie stark Kino im Dritten Reich für politische Zwecke instrumentalisiert wurde.
Eröffnung und erste Impulse
Am Freitagabend begrüßten Bürgermeister Johannes Waidbacher und Florian Kotanko vom Verein für Zeitgeschichte die Gäste. Der deutsche Autor und Publizist Andreas T. Sturm eröffnete mit „Kunst & Moral: Das Böse zwischen Faszination und Abscheu“ und stellte die Frage, wie wir Kunst bewerten, wenn ihre Schöpfer moralisch verwerflich handeln. Es ging um das Spannungsfeld zwischen ästhetischem Wert und ethischer Verantwortung.
Der Samstag begann mit einem Stadtrundgang, geführt von Christine Schmid und Hans Blum, der historische Orte in Braunau ins Licht rückte. Der Schriftsteller und Filmemacher Kurt Palm präsentierte „Der Edelmarder im Hühnerstall – Oder: Wie Herr B. Österreicher wurde“, eine satirische Reflexion zu Heimat und Identität.
Die Salzburger Historikerin Sabine Veits-Falk erinnerte an die Bücherverbrennung 1938 in Salzburg und zeigte, wie Kulturpolitik im Nationalsozialismus auf Auslöschung und Kontrolle zielte.
Provokation, Architektur und Auszeichnungen
Der Wiener Medienkünstler Lorenz „eSel“ Seidler widmete sich in „Skandal Normal?“ den Grenzlinien künstlerischer Provokation und fragte, wann Tabubruch zum Mainstream wird. Florian Kotanko analysierte Ausstellungen, die einst in der „Galerie in des Führers Geburtshaus“ stattfanden – ein heikler Aspekt lokaler Erinnerungskultur.
Der Architekturkritiker Maik Novotny sprach über „Steinerne Ideologien, elastische Ideologen“ und zeigte, wie Bauten Machtansprüche verkörpern, aber auch für neue Zwecke umgedeutet werden können.
Am Samstagabend folgte die Verleihung des Egon Ranshofen-Wertheimer-Preises. Ausgezeichnet wurde Regina Watschinger für das Wirken ihres verstorbenen Onkels in der internationalen Verständigung.
Einen Sonderpreis erhielt die Initiative Eine Welt Braunau für ihr Engagement in der Flüchtlingsarbeit. Die Laudatio hielt die Diplomatin Sylvia Meier-Kajbic.
Der Sonntag begann mit dem Kulturwissenschaftler Peter Stachel, der unter dem Titel „Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied!“ das Verhältnis von Musik und Politik beleuchtete – von Unterhaltung bis Protestkultur.
Zum Abschluss vertiefte Rosemarie Killius die Frage nach der moralischen Bewertung großer Künstlerinnen und Künstler der NS-Zeit. Ergänzt wurde dies durch persönliche Erinnerungen von Fritz Curzon an seine Eltern, die Sängerin Maria Cebotari und den Schauspieler Gustav Diessl.
Die Tagung 2019 bot ein facettenreiches Programm zwischen Kunst, Erinnerungspolitik und moralischer Verantwortung – und zeigte, wie aktuell die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld von Anerkennung und Ächtung ist.
Infos 2019
Abstracts
Präsentationen
Sturm 1
Sturm 2
Palm
Veits-Falk
Stachel
Preisverleihung Egon Ranshofen-Wertheimer
Laudatio Herbert Watschinger
Peter Kotanko über Herbert Watschinger (YouTube)